Freitag, 1. März 2013

Von Ultraläufern, persönlichen Bestzeiten, Grenzerfahrungen und Schneeläufen


Das Beste am dunklen Februar ist der sonnige März danach. Trist war auch der Februar 2013, doch irgendwie spannender als die vorherigen Monate.

Von Ultramarathonläufern

Als ich Anfang Dezember gefragt wurde, ob ich bei der Brocken-Challenge, einem Wohltätigkeitsultramarathon von Göttingen auf den Brocken, als Helfer fungieren möchte, musste ich nicht lange überlegen und sagte zu. Die Idee, mit einer sportlichen Veranstaltung Spenden für gemeinnützige Vereine zu sammeln, finde ich großartig. Leider wird dieser Veranstaltung in der Göttinger Öffentlichkeit zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Zu dem Lauf an sich ist eigentlich hierhier und hier schon alles geschrieben wurde. 
Im Rahmen meiner Helfertätigkeit war ich unter anderem knapp eine Stunde am Verpflegungspunkt Lausebuche im Oberharz. Die Läufer haben hier bei Kilometer 63 ein circa 20 Kilometer langes Teilstück hinter sich, das unter dem Namen Entsafter bekannt ist. Von Barbis am Harzrand bei Marathondistanz geht es kontinuierlich durch mindestens knöchelhohen Schnee bergauf. Das Laufen fällt extrem schwer, die plattgetretene Spur der Vorläufer ist meist nur einen Fuß breit. Jeder, der es bis hierhin geschafft hat, hat eigentlich allen Grund zu fluchen, darf sich über die letzten Kilometer aufregen und sich hinterfragen, was er hier eigentlich macht. Doch während ich dort war hat das niemand gemacht; die Freude über eine heiße Brühe, lieben Zuspruch und aufmunternde Worte überwog. Und dann wurde mir klar, was jeder von uns von diesen Menschen lernen kann: "Erfreue Dich an den kleinen, schönen Dingen des Lebens und vergiss, was hinter Dir liegt und Dich verärgert!"

Von persönlichen Bestzeiten

Noch kann gelacht werden!

Lars hatte sich bei der Brocken-Challenge anscheinend nicht richtig ins Zeug gelegt, denn noch nicht einmal eine Woche später wollte er eine neue zehn Kilometer-off-season-Bestzeit erreichen. Da 25 Runden auf der Bahn alleine schnell eintönig werden können, war er auf der Suche nach Mitläufern. Irgendwie war ich in sein Blickfeld gerutscht und sollte ihm gemeinsam mit Annika und Marc zu neuen Höhen verhelfen. 36 min war das Ziel und ich hatte überhaupt keine Ahnung, wie lange ich dieses für mich eigentlich höllisch schnelle Tempo durchhalte kann. Kurz zuvor hatte ich das Wort "Yolo" (Abkürzung für You Only Live Once) aufgeschnappt und so stand ich an einem trüben Samstag Vormittag auf der Bahn. Annika wollte uns jeweils für 1000m begleiten, Marc 400m Einheiten machen. Während Marc noch Probleme mit seiner Uhr hat, düsen Annika, Lars und ich los. Die ersten Kilometer vergehen viel zu schnell und wir steuern auf eine sub 35 min zu. Ich laufe neben Lars und fühle mich trotz des hohen Tempos physisch gut. Viel anstrengender ist das ewige im Kreis laufen und die Eintönigkeit auf der Bahn. Annika macht ein paar Fotos und ich lasse mich zu einem Victoryzeichen hinreißen. Sieht locker aus und sorgt für ein paar Lacher. Kurz nach Kilometer sechs frage ich mich das erste Mal, wie lange das noch gut geht und ob ich den richtigen Zeitpunkt zum Aufhören erwische oder mit Pauken und Trompeten untergehe. Doch ich will Lars jetzt auch nicht mehr alleine lassen und das van Gaal'sche "Tod oder Gladiolen" kommt mir in den Sinn. Für mich gibt es ab hier kein zurück mehr, auch die restlichen Meter werde ich durchziehen. Nach acht Kilometern zählen wir die Runden runter, pushen uns gegenseitig  und ziehen einen Jan Fitschen gleichen Zielspurt über mehre hundert Meter an. Am Ende 36:07 min, das Ziel knapp verfehlt, aber natürlich mehr als zufrieden ob dieser krassen Leistungssteigerung von über drei Minuten auf meine bisherige Bestzeit. Wie das möglich war, weiß ich bis zum heutigen Zeitpunkt immer noch nicht so wirklich. Meine Zahnpasta habe ich jedenfalls seit einigen Monaten nicht gewechselt ;)

Von Grenzerfahrungen


Harzblick
Nichts geht mehr. Meine Beine schmerzen und ich will nur noch nach Hause. Es geht bergab, doch das Laufen fällt mir so schwer wie an einem steilen Anstieg. Ich weiß nicht, wie es ist, das Bewusstsein zu verlieren, aber ich bin wahrscheinlich kurz davor. Meine Rettung steckt in Form eines 50g leichten Fruchtriegels in meinem Rucksack. Gleich wird es mir besser gehen und ich laufe hinab, die restlichen zwei Kilometer in Richtung Dusche.
Zwei Stunden zuvor habe ich mich mit Ulrike am Vortag der Brocken-Challenge zu einem langen Lauf aufgemacht. In der Halbmarathonvorbereitung will ich Läufe bis 35 km machen. Das heute soll der Zweite über mehr als 30km werden und wir nehmen die Brocken-Challenge als Anlass für eine Streckenbesichtigung. Also hinauf zum Reiterhof am Kehr und von dort über das Kerstlingeröder Feld hinunter nach Mackenrode. Oberhalb des kleinen Dorfes ergibt sich ein herrlicher Blick. Über Nacht hat es leicht geschneit und die kupierte Landschaft sieht aus, als sei sie mit Puderzucker verziehrt. Wir laufen über einen kleinen Pfad die steile Abbruchkante des Göttinger Waldes auf den Mackenröder Trail hinauf, der sich immer an dieser Abbruchkante entlang zieht. Kurzer Blick vom Aussichtsturm in Richtung Harz und weiter nach Herberhausen. Das Dorf liegt seelenruhig und wie verlassen zwischen Wiesen und Wäldern und umgeben von Anhöhen. Gedanken an eine Alpenlandschaft werden wach und abrupt vom nächsten giftigen Anstieg zerstört, an dem sich zum ersten Mal meine Oberschenkelmuskulatur meldet. Kurz vor dem Kehr trinke ich etwas und merke, dass mein Kreislauf absackt und mir kalter Schweiß auf die Stirn tritt. "Noch 200m und ab dort nur noch bergab!", denke ich. 400m weiter geht nichts mehr. Im Nachhinein war nicht die Länge der Strecke Grund für meinen Schwächeanfall, sondern einfach die knapp 700hm, die wir dabei zurückgelegt haben.

Von (Tief-) Schneeläufen




Ende Februar lässt sich Frau Holle nochmals in Göttingen blicken und verzaubert Stadt und Umland in eine tiefverschneite Winterlandschaft. Als Freund des Winters und vielen Schnees nutze ich diese Gelegenheit für ausgedehnte Tiefschneeläufe.
Mit Lars starte ich gefühlt mitten in der Nacht für eine lange Runde. Über Deppoldshausen und die Plessestraße führt mich Lars zum Mackenröder Trail. Lars kennt hier wirklich jeden Trail, Stein und noch so kleinen Baum. Irgendwann gebe ich es auf, an Weggabelungen nach dem Weg zu fragen und schlage einfach den schmaleren oder steileren - meist kommt beides zusammen - ein. Ich lasse mich zu einem "Donath, wo führst Du uns hin?" hinreißen und kämpfe mich weiter hinter Lars, der gleich einer Eisenbahn mit dem Trail als Schiene Meter um Meter zurücklegt. Wir sind länger unterwegs als geplant, bekommen so aber noch blauen Himmel und eine sich durch das Wolkenmeer kämpfende Sonne zu sehen. Nussecke UND Heidesand als Belohnung vom Bäcker für diesen genialen Lauf sind dann ein krönender Abschluss.


Zwei Tage später, es hat fast das ganze Wochenende geschneit, geht es nach anstrengenden Tischtennisspielen kurz in den Wald. Obwohl an den letzten Tage viele Wanderer und Rodler hier unterwegs waren, finden sich immer noch Wege mit unberührtem Tiefschnee. Auf dem Kerstlingeröder Feld liegen sicherlich 15-20 cm Schnee und es ist einfach grandios, da durchzulaufen. Laufen ist einfach geil; es gibt wenig andere Möglichkeiten, die Natur so intensiv und hautnah zu erleben. Diese Anblicke und Erlebnisse sind Belohnung für schweißtreibende Stunden und schmerzende Beine. Am Ende der Woche werde ich zum ersten Mal mehr als dreihundert Kilometer in einem Monat zurückgelegt haben. Doch mehr als die Zahl werden viele Erinnerungen zurückbleiben. Immer wieder kommen mir dieser Tage Hans Scholls letzte Wort, die natürlich einen anderen Hintergrund haben, mit denen ich diesen Beitrag aber trotzdem beenden will, in den Sinn: "Es lebe die Freiheit!"









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